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Zeitgeistlyrik: Memories (Satis Shroff)

Poems in German & English

1. Das Ritual
Eine betagte Dame sitzt auf dem Boden

und spielt ein Tamborin.
Die anderen sitzen im Kreis.
Plötzlich legt sie das Tamborin beiseite,
Steht auf und verläßt den Raum.
Sie lebt in einem Altersheim.
Sie öffnet ihre Zimmertür,
Schaut das Van Gogh Bild an
Und fragt sich:
‘Hängt das Bild gerade oder schief?
Habe ich das Licht ausgemacht?
Sie bedient den Lichtschalter viermal.
Sie geht ins Badezimmer:
Tropft der Hahn?
Dreht den Hahn auf und zu.
Habe ich die Tür geschlossen?
Sie macht die Tür auf und zu.
O, habe ich die Kochplatten ausgemacht?
Oder glühen sie?
Ich habe solche Angst.
Wo ist das Bügeleisen?
Habe ich vergessen, den Stecker heraus zu ziehen?
O Jemine! So eine Schande.
Ich muß das gesamte Ritual nochmal wiederholen,
Sonst hat meine Seele keine Ruhe.
* * *

RITUAL (Satis Shroff)

 

She's an elderly woman,

Sits on the floor,

And plays a tambourine.

Others are sitting in chairs in a circle.

Suddenly, she puts her tambourine aside,

Gets up and goes to her room.

 

She lives in a home for elderly people.

She looks at the van Gogh picture,

And asks herself: 'Is the picture straight?'

Did I put out the light?

She tries the switch four times.

Goes to the bathroom:

'Is the tap trickling?'

Turns it on and off.

Did I close the door?

She opens and shuts it.

Oh, did I put off the ceran plates?

Or are they red hot?

 

I'm so scared.

Where's the iron?

Did I forget to pull out the plug?

Phew! It's such a shame.

I shall have to carry out

The ritual again.

* * *
2. Erinnerungen
Ich ging in ein Altersheim
Verkleidet als ein Hase,
Mit einer roten Nase.
Ich spielte mit meiner Mundharmonika
Alte Deutsche Lieder für die Mitbewohner.
Manche lächelten,starrten
Und andere applaudierten,
Wie der Jubel kleiner Kinder.
Die alten Melodien riefen Erinnerungen,
Von glücklichen Tagen hervor.
Besonders bei Gästen mit Demenz.
'Dank'schön!' sagte eine betagte Dame,
Mit Tränen in den Augen.
Ihre Augen sagten:
'Sie haben mir meine

Erinnerungen zurückgebracht.'
O, es war so eine Bereicherung,
Den anderen helfen sich zu erinnern,
Den Altersheim-Blues zu vergessen,
Auch wenn es nur für einen Abend war.
* * *

MEMORIES (Satis Shroff)

 

I went to a home for elderly people,

Dressed as a fare with a big red nose,

Wearing a bathing gown like a Weihnachtsmann.

I played old German folktunes

On my mouth-harmonica.

Some smiled, others stared

And the rest applauded gleefully,

Like small children in Kindergarden.

 

The old melodies brought back memories

Of happier days to those with dementia.

'Dank'schön!' said an elderly,

Tears running down her eyes.

 

Her blue, wet eyes said:

'You brought me memories.'

Oh, it was such a rich experience

To help others to remember,

And forget the care-home blues,

Even for an evening.

I packed my props and went home,

With a joyous heart.

I'll never forget the tears of that lady.

 

* * *
3. Ein kleines Kind
Es war Fasnetzeit,
Der Winter wurde vertrieben.
Die Leute trugen bunte Kleider
Um den Karneval zu feiern.
Isolde war gekleidet als ein Harlekin,
Mit farbenfrohem Kostüm und einer Blume
Auf ihrem Kopf.
Sie sah ein kleines Kind vorbei laufen,
Hob das Kind hoch und umarmte es.
Sie schloß ihre Augen und summte ein Lied.
Ihre innerster Wunsch war, eine Mutter zu werden.
Jetzt hatte sie ein Kind im Arm.
Wie süß es doch war, die Wärme des Kindes zu verspüren.
Das Kind schien es zu gefallen,
Es wurde ruhig und mochte ihre Wärme.
Isolde träumte oft sie wäre Schwanger.
Jeden Morgen erzählte sie die anderen Patienten,
Und dem Psychiatriepersonal:
'Ich habe gestern Abend ein Kind zur Welt gebracht.'
* * *

A SMALL CHILD (Satis Shroff)

It was fasnettime,
The banishment of winter,
When people are motley dressed,
To celebrate carneval.
Sandra was painted like a harlequin,
Wore a colourful costume and had
A wreath of flowers in her head.
She'd seen a child walking around,
Held it up and embraced it.
She closed her eyes and hummed a tune.
Sandra had always wanted to be a mother,
Now she had a small child in her arms.
What a delight to feel
The warmth of a child.
The child seemed to love it.
It became quiet and liked her warmth.
Sandra dreamt she was pregnant every night.
Every morning she'd tell other patients
And the psychiatric staff:
'I gave birth to a child last night.'

* * *
4. Hasenscharte
Sie nannten mich Hasenscharte in der Schule.
Als ich die Treppe herunter ging,
Haben sie mich getreten.
Ich kam öfters mit Schürfwunden nach Hause.
Kinder in meinem Alter
Nannten mich:'Lakhe,
Das Monster mit dem roten Gesicht.'
Manche nannten mich sogar ’Narbengesicht.'
Wir waren Arm und Mutti betete für mich,
Aber das half mir nicht.
Ich wurde sehr traurig.
Ich konnte nicht mehr in mein Spiegelbild schauen.
Hasenscharte: Ich hatte Angst vor mir selbst.
Warum mußte ich so geboren sein?
Hatte ich in meinem früheren Leben gesündigt?
Warum wurde ich so bestraft?
Was habe ich getan um mit so einem Karma
Bestraft zu werden?
Ich betete die buddhistischen und hinduistischen Götter an.
Ich machte Opfergaben,
Aber sie blieben stumm.
Ich war ein Tharu und lebte in Chitwan.
Manchmal kamen wilde Elefanten
auf die Felder,
Um das zu fressen,
Was sie finden konnten.
Sogar Leoparden und Tiger
Kamen Nachts schleichend an,
Und nahmen Ziegen
Oder ein Kleinkind mit.
Während der Nacht
Hatte ich Angst vor den Dschungeltieren,
Tagsüber hatten die Schulkinder Angst vor mir.
Ich haßte es, in die Schule zu gehen,
Haßte jede Begegnung mit meiner Mitmenschen:
Alle starrten mich nur an.
Manchmal schaute ich ein Bollywoodfilm an.
Ich identifizierte mich mit Shah Rukh Khan.
Was für ein großartiger Held.
Ich wünschte mir ich könnte sein wie er;
gegen die Bösewichte kämpfen
Und die Herzen von schönen Frauen zu erobern.
Ein Blick in den Dorfteich oder eine Reflektion im Fenster
Und ich wurde in die Realität zurückgeholt.
Ein Lehrer sagte zu meiner Mutter,
Sie sollte mit mir nach Sankhu gehen,
dort helfen ausländische Chirurgen armen Nepalesen
Für ein paar Rupien.
Meine Mutter gab mir Hoffnung.
Dennoch hatte ich Angst vor der Operation.
Ich erwähnte es zu niemandem in der Schule.
Eines Tages sind meine Mutti und ich
nach Sankhu gefahren,
Es befand sich neben der Hauptstadt.
Die Busreise war lange und sehr mühsam,
Aber ich dachte die ganze Zeit an mein Gesicht.
Als wir dort ankamen, sah ich weiß gekleidete Menschen,
Die aussahen wie britische Sahibs.
Mir wurde erzählt, dass sie aus dem Kontinent kamen,
Wo auch immer das sein mag.
Eine nette weiße Frau gab mir eine Puppe
Mit blonden Haaren.
In Nepali wir nennen das 'Sunpat.'
Mein Herz schlug laut und schnell.
Ich fing an schneller zu atmen.
'Du wirst gleich einschlafen,'
Sagte eine Nepali Krankenschwester.
O, Wunder! Als ich aufwachte,
Spürte ich eine Bandage auf meinem Oberkiefer.
Mein Mund fühlte sich wie zusammengenäht an.
Als die Bandage entfernt wurde,
gaben sie mir einen Spiegel.
Ich hatte Nähte von den Nasenlöchern
Bis zu meiner Oberlippe.
Die sogenannte 'Fissure’ Lücke war endlich zu.
Eine Flut von Tränen liefen über meine Wangen:
Ich schämte mich und weinte vor Freude.
O, Danke Interplast Deutschland,
Du hast mir ein neues Leben geschenkt.
Ich habe jetzt einen Schnurbart
Und eine hübsche Frau.
* * *

HARELIP (Satis Shroff)

 

They called me 'hairlip monster' at school,

And the schoolkids kicked me down the stairs.

I'd often come home bruised,

The children of my age called me:

'Lakhe, the red-faced monster.'

Some even called me 'Scarface.'

 

We were poor and my mother prayed for me,

But that didn't help me.

I was very sad and depressed.

I despised the mirror:

Hair-lips: I became scared of myself.

Why did I have to be born with a fissure on my lip?

Did I sin in my previous life?

Why was I being punished?

What had I do,

To get such a karma?

I prayed to the Hindu and Buddhist Gods,

But they remained silent.

 

I was a Tharu boy and lived near Chitwan.

Sometime wild elephants would raid the fields,

To eat whatever they could find.

Even tigers and leopards came stealthily at night,

Took away goats or a child.

At night we were scared of wild animals,

During the day children were scared of me.

 

I hated school,

Hated contacts with humans:

They'd all stare at me.

Sometimes, I'd watch a Bollywood film,

Identify myself with Shah Rukh Khan.

What an emotional hero,

I wished I could be like him.

Fight against evil gangsters,

And wind the hearts of lovely damsels.

A look at the pond or a windowpane,

And I'd be dragged to reality.

 

A teacher told my Ama to go to Sankhu,

Where foreign surgeons helped poor Nepalese,

And performed plastic surgery for a few rupees.

My dear mother gave me hope.

I was scared of the operation.

I didn't tell anyone at school.

 

One day my Mom and I went to Sankhu,

Near the capital city of Nepal.

The bus journey was long and tiresome,

But I was thinking of my face all the time.

At the hospital there were people

Strutting about busily in white coats.

They looked like British sahibs.

I was told they were from the Continent,

Whereever that was.

I was given a doll with blonde hair

By a kind white lady.

I Nepali we call it 'sunpat.'

My heart was beating loudly,

I started breathing fast.

'You'll fall asleep soon, ' said a Nepali nurse.

I did.

Oh, wonder, when I woke up

I had a bandage on my upper jaw.

When the bandage was taken off,

I was given a mirror.

I had stitches from my nostrils

To my upper lip.

The ugly gap was closed.

I had a new face.

Oh, than you Interplast Germany.

You have given me a new life.

I now have a moustache

And a pretty wife.

 

* * *
5. APRIL 1945
Sie trug einen roten Wintermantel
Und hielt einen Gehstock in der Hand.
Gabriela Klein überquerte den Zebrastreifen,
Neben der neue schwarzen Unibibliothek.
Eine Kompanie von Soldaten im Kampfanzug
Kamen von der anderen Straßenseite.
Ihre Schritte verlangsamten und ihr Körper zitterte.
In ihrem Geist, ist sie im April 1945:
Die Franzosen haben Freiburg in den Besitz genommen.
Die Werwolf Hitlerjugend wollte das Schwabentor sprengen.
Freiburgs tapfere Männer haben's verhindert.
Wie werden die Franzosen uns behandeln?
Sie hatte damals keine Ahnung,
Daß der Krieg schon vorbei war.
Kein Radio,
Keine Zeitungen.
Ausgangssperre von 19 Uhr bis 7 Uhr.
Obwohl die Deutschen und die Franzosen
Einst Erzfeinde waren,
Benahmen sich die französische Soldaten diszipliniert.
Tagsüber suchten die Leute nach Nahrung.
Die rückkehrenden und verletzten Soldaten
Verursachten die Nahrungsknappheit.
Sie erinnerte sich, daß sie Nachts

 Felder durchsuchte um Kartoffeln zu stehlen.
Damals verwalteten die Franzosen die Stadt.
Als die Soldaten vorbei marschieren,
schlägt Gabriela’s Herz wieder normal.
Sie hört auf zu hyperventilieren
Und schafft es auf die andere Straßenseite.
'Huch!' nuschelt Gabriela:
'Ich bin mal wieder am Tagträumen.'
* * *

APRIL 1945 (Satis Shroff)

 

Gabriela Klein 85 lives in Freiburg,

She's wearing a scarlet coat

And holds a walking stick

And is walking along the zebra-crossing,

Near the new library.

A company of soldiers in camouflage outfit

Come from the other direction.

Her steps become doddery and her body shakes.

* * *

In her mind she's in April 1945:

The French have occupied Freiburg.

The Werwolf Hitler-boys wanted to blast the Swabian Gate

But were prevented by courageous Freiburger men.

How were the French going to treat us?

She had no idea that the krieg

Was over on May 8, 1945.

No radio.

No newspapers.

Freiburg was reduced to ashes.

Ausgangsverbot from 7pm till 7am.

The French soldiers were disciplined.

During the day everyone was foraging for food.

The returning soldiers caused the food scarcity.

She remembers going to the nearby farms

To steal potatoes.

The French are in charge of the town.

* * *

The soldiers march past.

Gabriela's heart beats normal again.

She stops hyperventilating

And scurries to the other side.

'Huch!' she mutters,

'I'm day-dreaming again.'

* * *

EINSAMKEIT DER WITWE

Die Dame mit den silbernen Haaren
sitzt vor ihrem Wohnungseingang
Und denkt über ihr Leben nach.
Ihre Tochter Androula ist wohlauf in Deutschland,
Ihr Sohn Janis lebt mit seiner Frau in Athen.
Und sie?
Sie lebt in Einsamkeit und Gebet,
Eine Witwe in Schwarz Tag ein und aus.
Ihre Beine sind schwach und ihr Gang instabil.
Ihr wird es häufig schwindelig.
Aber das schlimmste
Ist ihre fehlende Erinnerung:
Ich kann an meine ferne Vergangenheit erinnern,
Aber ich weiß nicht mehr,
Ob ich meine Kapseln eingenommen habe,
Oder nicht.
Wie lange kann ich noch auf mich aufpassen?
* * *

A WIDOW'S LONELINESS (Satis Shroff)
 

The lady with the silvery hair,
Sits in the entrance to her house door,
And contemplates about her life.

Androula her daughter is well off in Germany,
Janis her son lives with his wife in Athens.
And she?
She lives alone in solitude and prayer,
A widow in black day in and day out.
Her legs are sagging and her gait unsteady.
She feels dizzy at times.
The worst thing is her failing memory.

I can recall events of my life,
But I can't remember,
Whether I took my capsules or not.
How long can I look after myself?

* * *

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